Vermietung nach Unfall

Hohe Mietwagenpreise während Corona

Vor allem vor dem Hintergrund der Unfallersatzvermietungen ist die Frage relevant, ob in der Corona-Zeit die Mietwagenpreise gesunken sind. Das Vergleichs- und Buchungsportal Check24 hat sich dahingehend geäußert, zumindest für die eigenen Vermittlungen von Kunden an Autovermieter. Dort seien die Mietwagenpreise um 11 Prozent im Vergleich zu vorherigen Buchungen gesunken. Versicherer beginnen bereits damit, zu behaupten, man müsse das anspruchsmindernd berücksichtigen.

Wir wollen dem unsere eigene Preisrecherche gegenüberstellen und den daran Interessierten Argumente liefern.

Meldung Check24 anzeigen

Dieses Bild erscheint sehr verzerrt. Wenn Check24 solche Zahlen für das eigene Portal nennt, dann ist das nicht prüfbar und auch nicht zu kritisieren. Doch dürfen Versicherer nun nicht behaupten, dass allgemein die Mietwagenpreise während Corona um 11 Prozent gesunken sind. Denn es scheint eben nicht so zu sein, wenn man sich direkt die Internetseiten der Anbieter anschaut.

Als Vergleichsmaßstab können hier wieder einmal die Mietpreislisten von Schwacke und Fraunhofer herangezogen werden. Da es noch keine Listen für 2020 gibt, sind die Listen von 2019 in den Blick zu nehmen. Wenn tatsächliche und belegbare Mietwagenangebote in einer Vielzahl - wie auch schon vor Corona - weit über den Fraunhofer-Werten liegen, dann ist in Bezug auf das allgemeine Preisniveau alles wie zuvor: "Fraunhofer-Werte unterliegen erheblichen Zweifeln, Schwacke-Werte liegen nahe an Internetangeboten maßgeblicher Anbieter."

Und so ist es auch, hier ein paar Beispiele für die bei Check24 genannte Stadt mit angeblich gesunkenen Preisen "Berlin" ...
(Beispiele für Mietwagenklasse 05, nur Grundpreis, ohne Nebenkosten wie Zusatzfahrer...):

Sixt am 07.04.2020 für 6 Tage 685,95 Euro = 114,32 Euro pro Tag (Fraunhofer 2019 laut Wochenpreis = 36,65 pro Tag); Ergebnis: Fraunhofer mal ca. 3,5
Europcar 14.05.2020 für 6 Tage 451,78 Euro = 75,30 Euro pro Tag; Ergebnis: Fraunhofer mal ca. 2
Sixt am 29.06.2020 für 6 Tage 586,28 Euro = 97,71 Euro pro Tag ; Ergebnis: Fraunhofer mal ca. 2,5
Hertz am 29.07.2020 für 5 Tage 719,61 Euro = 143,94 Euro pro Tag (Fraunhofer 2019 laut 5-Tagespreis = 51,18 pro Tag); Ergebnis: Fraunhofer mal 2,8
Sixt am 10.08.2020 für 7 Tage 752,69 Euro = 107,28 Euro pro Tag ; Ergebnis: Fraunhofer mal ca. 3

Ergänzend ist zu erwähnen, dass die hier dargestellten Preise auch weit über den von Fraunhofer als Maximalbetrag veröffentlichten Werten des ganzen Jahres 2019 liegen.

Und wichtig auch: Die Preise waren genaus so, hier handelt es sich nicht um Ausreißer in Bezug auf Besonderheiten einer Mietwagengruppe, eines Anbieters und zu ganz normalen Internet-Anmietbedingungen wie elektronische Reservierung ohne Buchungsgarantie, bei Vorkasse, Kaution, elektronisches Zahlungsmittel usw.

Das gute ist: Jederman kann sich immer wieder ein eigenes Bild von den tatsächlichen Internetpreisen machen. Dass es nicht auf den ersten Klick ankommt, sondern auf den zu zahlenden Preis, dürfte - außer in Versicherungsbüros und manchen Amtsstuben der Gerichte - klar sein.

Dass die Preise nicht gesunken sind, ist mirkoökonomisch auch erklärbar. Es machte keinen Sinn, mit Kampfpreisen um die wenigen verbliebenen Kunden zu konkurrieren. Wenn schon eine Miete stattfand, dann musste sie sich wenigestens lohnen. Denn die laufenden Kosten für durchgeführte Arbeitszeit, weiterhin geöffnete Stationen, verbliebenen Fuhrpark usw. blieben trotz des grundsätzlichen Herunterfahrens der Unternehmen hoch. Alle Unternehmen haben an weniger Stationen mit weniger Mitarbeitern und Fahrzeugen versucht, lukrative Mieten abzuschließen und daher waren die Preise nicht niedriger.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 34-20

Amtsgericht Bonn 118 C 308/19 vom 29.05.2020

1. Die Geschädigten haben nicht gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen, da die Beklagte keine konkreten annahmefähigen Ersatzangebote vermittelt hat.
2. Die Schätzung des Normaltarifs erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand der Mittelwertbildung aus den Werten von Schwacke und Fraunhofer.
3. Der Grundbetrag ist um einen 20%-igen Aufschlag für erforderliche unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieter zu erhöhen.
4. Eine Berechtigung für einen unfallbedingten Aufschlag ergibt sich bereits aufgrund der erforderlichen Vorfinanzierung von Mietzins und Umsatzsteuer, auf weitere Aufschlagsgründe kommt es dann nicht mehr an.
5. Von der Beklagten aufgezeigte günstigere Mietwagenangebote sind aus verschiedenen Gründen mit der Anmietung nicht vergleichbar.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Bonn weist den vom Gegnerversicherer erhobenen Vorwurf zurück, die Geschädigten hätten auf ihre Direktvermittlungsangebote eingehen müssen und weil sie das nicht taten, hätten sie gegen ihre Schadenminderungspflicht verstoßen. Die Angebote des Versicherers werden nicht als annahmefähig angesehen. Der Normaltarif wird sodann mit dem Mittelwert der Listen geschätzt und hierauf ein unfallbedingter Aufschlag zugesprochen. Der Aufschlag erfolgt unabhängig von einer Not- und Eilsituation. Kosten von Nebenleistungen sind dem Geschädigten bzw. dem Kläger ebenso zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Das Amtsgericht Bonn schaut sich die angeblich passenden Angebote an die Geschädigten mit der gebotenen Genauigkeit an und stellt fest, dass die Geschädigten dadurch nicht an die Vorgaben des Gegnerversicherers gebunden sein können. Denn diese entsprechen nicht dem Bedarf der Geschädigten. Hier obliegt es dem Schädiger zu beweisen, dass die Angebote auf den Mobilitätsbedarf passen. Zum Beispiel für die Frage, ob den Geschädigten ein vergleichbares Fahrzeuge angeboten wurde und ob ein solches passendes Fahrzeug tatsächlich verfügbar war, ist die Beklagte ihrer Beweislast nicht nachgekommen. Daher wurde der Preis für einen vergleichbaren Mobilitätsersatz im regionalen Markt mittels der in Bonn üblichen Mittelwertmethode geschätzt und ein unfallbedingter Aufschlag zugesprochen. Wie vom BGH vorgegeben, wird der Aufschlag als erstattungsfähig angesehen, ohne dass es auf eine Eil- und Notsituation ankommt, denn diese ist nur eine von mehreren höchstrichterlich akzeptieren Aufschlagsgründen.

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 33-20

Amtsgericht Wolfenbüttel 16 C 123/20 vom 28.07.2020

1. Aufgrund der vorgelegten Abtretung "erfüllungshalber" und den verwendeten Formulierungen ist die Aktivlegitimation der Klägerin  gegeben.
2. Die Formulierungen der Abtretungsvereinbarung beziehen sich lediglich auf den Schadenersatzanspruch aufgrund Mietwagenkosten und sind damit konkret bestimmt.
3. Die Abtretungsformulierungen sind auch nicht als Verstoß gegen das Transparenzgebot zu verstehen und das Rechtsgeschäft ist daher nicht als nichtig anzusehen.
4. Die Schätzung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten zur Erlangung der erforderlichen Ersatzmobilität erfolgt anhand des Mittelwertes aus Schwacke und Fraunhofer.
5. Aus einer Anmietung und Geltendmachung auf diesem Preisniveau kann keine Verletzung der Schadenminderungspflicht gefolgert werden.
6. Kosten für erforderliche Nebenleistungen (Zustellen/Abholen, Winterreifen und Haftungsreduzierung) sind vom gegnerischen Haftpflichtversicherer in Höhe der Werte der Schwacke-Liste zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Wolfenbüttel weist die Angriffe der Beklagten gegen die Aktivlegitimation der Klägerin zurück. Die Abtretungsvereinbarung wird in allen diskutierten Punkten als wirksam und gültig angesehen. Die Schadenhöhe bzgl. Kosten eines Ersatzfahrzeugs wird mit dem Mittelwert aus den gängigen Listen geschätzt (Grundpreis). Kosten von erforderlichen Nebenkosten sind ebenso erstattungsfähig.

Bedeutung für die Praxis: Die Formulierungen in Abtretungen sind weiter in intensiver Diskussion bei den Gerichten. Haftpflichtversicherer, auch wenn sie Forderungen aus einer Abtretung zunächst teilweise regulieren, versuchen in den Prozessen weiterhin, die Aktivlegitimation der Kläger in Abrede zu stellen. Hier und da gelingt ihnen das derzeit, denn manche Abteilungen an Amtsgerichten steigen darauf ein. Kläger sind inzwischen auf Klärungen in einigen derzeit anhängigen Berufungsverfahren in unterschiedlichen Gerichtsbezirken aus. Umso wichtiger sind Entscheidungen, in denen die Gerichte den Auffassungen der Haftpflichtversicherer entgegentreten. Entscheidend dürfte es sein, den Gerichten zu verdeutlichen, dass der BGH die von den Vermietern verwendeten Abtretungen - anders als bei den Sachverständigen - bis dato nicht beanstandet hat und es sich hier nicht um eine mehrstufige Abtretung an ein lediglich auf Inkasso ausgerichtetes Unternehmen handelt und damit die Intensität der Transparenzdiskussion aus Sicht des Geschädigten überzogen ist, wenn man berücksichtigt, dass sich die Anwendung von Abtretungen auch im Interesse von Geschädigten etabliert hat.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 32-20

Landgericht Hagen 1 S 18/20 vom 27.05.2020 (Datum mdl. Verhandlung)

1. Auch der Geschädigte, der sofort mit einem Ersatzfahrzeug weiterfährt, hat sich nach Alternativen zu erkundigen.
2. Das Landgericht schließt sich nun auch der Mittelwertrechtsprechung der OLG's in NRW an und hebt daher ein erstinstanzliches Urteil auf, in welchem der Normaltarif lediglich anhand der Fraunhofer-Werte geschätzt wurde.
3. Die gegen die Anwendung der Schwacke-Liste im Rahmen des Mittelwertes von der Beklagten vorgelegten Internetangebote sind mit der konkreten Anmietsituation nicht vergleichbar.
4. Die gegen die Anwendung der Fraunhofer-Liste im Rahmen des Mittelwertes von der Klägerin vorgetragenen Internet-Anmietbedingungen (die der Geschädigte wie die Vorfinanzierung des Mietzinses nicht erfüllen konnte) bewertet das Gericht mit einem Aufschlag von 10 Prozent auf den Fracke-Wert.
5. Die Eigenersparnis des Geschädigten wird mit 10 Prozent auf den Grundwert bemessen.
6. Kosten für Nebenleistungen für eine erweiterte Haftungsreduzierung, einen Zusatzfahrer und Zustellung werden zugesprochen, nicht jedoch die Kosten der Anmietung außerhalb der Geschäftszeiten.

Zusammenfassung: Die Berufungskammer des Landgerichts Hagen schließt sich nun der Mietwagen-Schätzmethode der nordrhein-westfälischen Oberlandesgerichte in Hamm, Düsseldorf und Köln an und verwendet die Mittelwertmethode aus Schwacke und Fraunhofer. Nebenkosten werden zugesprochen und mit Verweis auf die Vorfinanzierung des Vermieters auch ein geringfügiger Aufschlag für unfallbedingt erforderliche Mehrleistungen.

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht Hagen ändert seine Fraunhofer-Überzeugung und geht mit Fracke auf Linie mit den Oberlandesgerichten des Bundeslandes. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, dass das Gericht die Anforderungen an den Geschädigten überspannt, sich in einer Unfallsituation schadenmindernd zu verhalten. Obwohl das Gericht nicht von einer Schadenersatzforderung auf Basis eines stark überhöhten Unfallersatztarifs ausgeht UND der Geschädigte umgehend noch am Unfalltag ein Ersatzfahrzeug angemietet hat, wird eingangs der Urteilsbegründung herausgestellt, der Kläger habe nicht dargelegt, dass er dem Wirtschaftlichkeitsgebot genügt habe. Eine Erforderlichkeit der umgehenden Anmietung eines Ersatzwagens sieht das Gericht nicht. Hier hätte der Geschädigte nach Auffassung der Richter darlegen müssen, warum er nicht anders hätte nach Hause kommen können und warum er sich auch am nächsten Tag nicht ohne Ersatzwagen hätte behelfen können. Das stellt das Schadenersatzrecht auf den Kopf und stellt den Geschädigten eben nicht so, als wäre der Unfall nicht geschehen. Die konkrete Berechnung des erstattungsfähigen Betrages stellt die Mathematik dann auf den Kopf. 10 Prozent Abzug für Eigenersparnis und 10 Prozent Zuschlag für unfallbedingte Mehrleistungen müssten sich ausgleichen. Doch hier kommt ein Minus dabei heraus. Kläger in Schadenersatzprozessen verdienen es einfach nicht, so oberflächlich von Gerichten behandelt zu werden. Den von der Klägerin vorgetragenen weiteren Aufschlags-Grund der mangelndes Dispositionsmöglichkeit einer Anschlussmiete wegen der ungeklärten Mietdauer weist das Gericht mit der unbelegten und falschen Behauptung zurück, dass auch im Normalgeschäft die Fahrzeugrückgabe nicht immer im Vorfeld bestimmt ist. Auch hier liegt das Gericht also daneben, woraus sich Anforderungen für zukünftigen Klägervortrag am Landgericht Hagen ergeben.

Schwacke-Liste 2020: Datenerhebung bis 10.08.

Die Firma eurotaxSchwacke erhebt derzeit die Daten für den kommenden Automietpreisspiegel 2020, der voraussichtlich wieder zum Ende des Jahres veröffentlicht werden wird.

Alle Unternehmen, die Fahrzeuge an Normalkunden vermieten, werden hiermit nochmals gebeten, an der Datenerhebung teilzunehmen. Benötigt wird eine Kopie Ihrer Preisliste, die Sie laut Praisangabenverordnung führen und aushängen müssen bzw. die diesbezügliche PDF-Datei oder die Internetadresse, unter der Ihre Preise veröffentlicht sind.

Nicht relevant sind Sonderpreise wie Unfallersatztarife, Werkstattersatzpreise und andere Langzeit- oder Sondertarife. Alle notwendigen Informationen entnehmen Sie bitte der hier beigefügten Anlage.

Datenerhebung zum Schwacke Automietpreispiegel 2020

Senden Sie Ihre Unterlagen oder Informationen bitte an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!" target="_blank">stefanie.koestlmaier(et)schwacke.de

Liste aktueller Urteile Mai-Juli 2020

Hier erhalten Sie Zugriff auf die Liste aktueller Urteile rund um Mietwagen-Themen.

Wir haben auf eine Anregung hin die Einsender der bei uns eingehenden Urteile von nun an in der Liste vermerkt. So wird erkennbar, welche Anwälte sich nicht lediglich mit der Durchsetzung von Reparaturkosten und ähnlichem auskennen, sondern sich auch die Mühe machen und erfolgreich darin sind, Mietwagenkosten beim Unfallgegner durchzusetzen.

Möchte ein Einsender nicht genannt sein, kann er das gern vermerken.

LG Hanau  Beschluss

2 S 157/18

27.04.2020

S+ / F-

 

LG Berlin

42 O 425/19

22.04.2020

S+ / F- / kein MW

 

LG Oldenburg

13 S 29/20

20.04.2020

S+ / F-

 

AG Nordenham

3 C 217/19

17.12.2019

S+ / F- / kein Gutachten

 

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 31-20

Amtsgericht Waldbröl 15 C 10/20 vom 18.06.2020

1. Auch bei einem Antrag auf Rubrumsberichtigung zur Klage gegen eine Schwestergesellschaft der ursprünglich Beklagten besteht hier nach den Gesamtumständen die Passivlegitimation.
2. Die Abtretung gemäß § 398 BGB ist wirksam vereinbart, weist insbesondere keine zur Unwirksamkeit führende Intransparenz nach § 307 BGB auf.
3. Es wird nach der Abtretungsvereinbarung hinreichend deutlich, welche Rechte dem Geschädigten gegenüber dem Autovermieter bei Geltendmachung ihm gegenüber zustehen, anders als im Fall von BGH VI ZR 274/17.
4. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten erfolgt anhand des Mittelwertes der Listen von Schwacke und Fraunhofer, ausgehend von den dortigen Werten des arithmetischen Mittels.
5. Aufgrund der Erforderlichkeit unfallbedingter Mehrleistungen des Vermieters wie Sonderrisiken, Vorfinanzierung durch Vermieter, offenes Mietende usw. ist der Grundwert um 20 Prozent zu erhöhen.
6. Kosten von erforderlichen und angefallenen Nebenleistungen sind schadenersatzrechtlich erstattungsfähig

Zusammenfassung: Das Amtsgericht in Waldbröl setzt sich intensiv mit der Abtretungserklärung und den von der Beklagten gegen die Aktivlegitimation der Klägerin vorgebrachten Argumenten auseinander. Die aktuelle Formulierung der BAV-Abtretungserklärung wird vom Gericht bestätigt. Der Normaltarif wird mit dem Mittelwert der Listen geschätzt und ein unfallbedingter Aufschlag sowie die Nebenkosten zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Manche Richter steigen bereitwillig auf die Argumente der Versicherer gegen die Abtretungsformulierungen ein. Umso wichtiger erscheint es, wenn Gerichte sich intensiv mit den Versichererargumenten gegen die Abtretungen auseinandersetzen und die Aktivlegitimation des Klägers aus abgetretenem Recht im Ergebnis bestätigen. Die Berechtigung einer Mietwagenforderung geringfügig oberhalb der Schätzwerte im Fall der Erforderlichkeit von unfallbedingten Nebenleistungen wird vom Gericht genauso gesehen, wie es der BGH in einer Vielzahl von Entscheidungen vorgegeben hat: Aufschlagsgründe müssen vorgetragen werden, nicht aber eine konkrete Preiskalkulation des Vermieters. Und Aufschlagsgründe müssen nicht kumulativ vorliegen, z.B. die Notwendigkeit der Vorfinanzierung des Mietzinses durch den Vermieter - üblicherweise zum Teil bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag - reicht dafür aus.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 30-20

Amtsgericht Ludwigslust 44 C 19/18 vom 24.06.2020

1. Erforderliche Kosten der Ersatzanmietung werden nach dem Normaltarif der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel geschätzt.
2. Die Anwendung der Fraunhofer-Liste wird abgelehnt, da diese sich weitgehend auf Internetangebote stützt, die für Geschädigte nur unter bestimmten Umständen zugänglich sind.
3. Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Fraunhofer-Liste ergeben sich u.a. auch wegen einer korrekten Klassifizierung der Fahrzeuge, Kilometerbegrenzungen, Zahlungsbedingungen, der Frage der Haftungsregelungen sowie notwendiger Vorreservierungen bei Internetangeboten.
4. Die schadenrechtlichen Anforderungen an eine Preiserhebung gebieten es, Unsicherheit und Missbrauchsanfälligkeit von Bezahlvorgängen im Internet zu berücksichtigen.
5. Aufgrund des offenen Mietendes und des Verzichtes auf eine Kilometerbegrenzung ist ein unfallbedingter Aufschlag von 25 Prozent zuzusprechen.
6. Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen wird mit 6,5 Prozent bemessen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Ludwigslust lässt zu der Frage der Angemessenheit des geforderten Schadenersatzbetrages wegen der Ersatzwagenanmietung ein Sachverständigengutachten erstellen. Der Sachverständige beleuchtet die Methoden der Listen von Schwacke und Fraunhofer mit dem Ergebnis, dass Internetangebote, die die hauptsächliche Basis der Fraunhofer-Liste darstellen, keine für den Geschädigten erreichbare Ersatzmobilität bieten. Das Gericht schließt sich der Auffassung an, dass die Fraunhofer-Liste zur Schätzung der erforderlichen Kosten aus verschiedenen Gründen nicht anwendbar ist.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht hat mit sachverständiger Hilfe vor dem Hintergrund der konkretem Situation des Geschädigten sauber herausgearbeitet, dass nur die Werte der Schwacke-Liste zur Schätzung des Normaltarifes in Betracht kommen können. Die Bedingungen zur Erlangung von Internet-Angeboten sind gerade bei kurzfristiger Anmietung, aber auch darüber hinaus aufgrund der Buchungsvoraussetzungen einem Geschädigten nicht zuzumuten. Die konkreten Buchungsbedingungen nach der Fraunhofer-Erhebungsmethode entsprechen nicht den schadenrechtlichen Anforderungen der Rechtsprechung. 

 

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 29-20

Landgericht Dresden 3 S 430/19 vom 26.06.2020
(Vorinstanz Amtsgericht Dresden 102 C 2557/19 vom 10.10.2019)

1. Die erstinstanzliche Schätzung mit dem Mittelwert ist aufzuheben und die erstattungsfähigen Mietwagenkosten sind anhand der Schwacke-Liste zu schätzen.
2. Den Geschädigten trifft eine Erkundigungspflicht nach günstigeren Angeboten erst ab einem Preis von 50 Prozent über dem Schwacke-Mittelwert.
3. Von der Beklagten aufgezeigten günstigeren Angebote sind kein konkreter Sachvortrag zur Erschütterung der anzuwendenden Schätzgrundlage.
4. Bei klassengleicher Anmietung wird ein Abzug für ersparte Eigenkosten in Höhe von 10 Prozent auf den Grundpreis ohne die Nebenkosten vorgenommen.
5. Die Kosten von Nebenleistungen für Zusatzfahrer, Zustellung und Abholung, Navigation sowie einer Haftungsreduzierung sind vom Schädiger zu erstatten.

Zusammenfassung: Das Landgericht Dresden hebt eine Entscheidung des Amtsgerichtes auf, in der dieses mit dem Mittelwert aus den Listen Schwacke und Fraunhofer geschätzt hatte. Das Landgericht bleibt bei seiner Schwacke-Linie, so lange die Toleranzgrenze für den Geschädigten von Schwacke plus 50 Prozent nicht überschritten ist. Nebenkosten werden zugesprochen und nach Schwacke bemessen.

Bedeutung für die Praxis: Das Ziehen einer konkreten Grenze, mit der alle Beteiligten umgehen können, stellt eine praktikable Lösung in der Frage der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten dar. So steht von vornherein fest, dass dem Geschädigten beim Normaltarif "Schwacke plus 50" kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er sich nicht nach günstigeren Alternativen erkundigt hat. Im hier diskutierten Verfahren handelte es sich zudem um eine eilbedürftige Sofortanmietung, in welchem daher auch ein Preis oberhalb der erforderlichen und nach Marktlage zu beurteilenden Vergleichspreise ausnahmsweise erstattungsfähig gewesen sein dürfte. Im Übrigen bemisst das Landgericht die Eigenersparnis insoweit korrekt, als diese lediglich vom Grundpreis abgezogen wird und nicht von einem Gesamtmietwagenpreis inklusive der Nebenkosten.

6000 Urteile in der BAV-Datenbank

Der Bundesverband der Autovermieter betreibt eine Urteilsdatenbank für Entscheidungen rund um das Mietwagenrecht. Vornehmlich - aber nicht ausschließlich - sind es Gerichtsentscheidungen rund um die Angemessenheit von Mietwagenkosten nach einem Unfall. Auch dabei sind zum Beispiel Dokumente zu Themen wie die korrekte Zulassung der MietfFahrzeuge, Zeugengeld-Ansprüche oder grob fahrlässig verursachte Beschädigungen an Mietfahrzeugen.

Inzwischen umfasst die Datenbank 6.000 Dokumente.

Das jüngste davon: eine Entscheidung des Landgerichtes in Aachen unter anderem zu der Frage, ob der Geschädigte auf ein angebliches Vermittlungsangebot des gegnerischen Haftpflichtversicherers eingehen musste, den Ersatz-Mietwagen bei einem vom Versicherer genannten Autovermieter anzumieten. In diesem Fall nein, weil es sich nicht um ein konkretes und annahmefähiges Angebot gehandelt hat.

http://urteilsdatenbank.bav.de/search/result

Für Verbandsmitglieder und Fördermitglieder ist die Nutzung der Datenbank weiterhin kostenlos.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 28-20

Landgericht Stuttgart 5 S 69/20 vom 25.06.2020
(Vorinstanz Amtsgericht Stuttgart Bad-Cannstatt 10 C 2076/19 vom 21.01.2020)

1. Die richtige Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten erfolgt mit dem arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste.
2. Der Grundwert wird aus unterschiedlich langen Pauschalbeträgen Wochenpauschale, 3-Tagespauschale und Tagespauschale aus der Liste zusammengestellt
3. Bei Anmietung eines gruppengleichen Fahrzeugs erfolgt ein Abzug wegen ersparter Eigenaufwendungen des Geschädigten in Höhe von 10 Prozent.
4. Ein Eigenersparnis-Abzug erfolgt auf den Grundpreis der Mietwagenkosten.
5. Kosten erforderlicher Nebenleistungen für Zustellen und Abholen, Navigationssystem, Zusatzfahrer und Haftungsreduzierung sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Landgericht Stuttgart bestätigt seine ständige Rechtsprechung zur Anwendung einer Schätzgrundlage für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten. Es hält allein die Schwacke-Liste für anwendbar. Nebenkosten sind - soweit erforderlich und angefallen - ebenso nach den Listenwerten zu schätzen und zuzusprechen.

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht Stuttgart bleibt bei seiner festen Linie "Schwacke ja, Fraunhofer nein". Eine tiefergehende Begründung hat das Gericht als x-te Wiederholung nicht abgegeben. Doch wird detailliert aufgeschlüsselt, wie mit den Pauschalen aus der Liste zu verfahren ist. Wichtig erscheint die nach hiesiger Auffassung korrekte Vorgehensweise, wie der Abzug für ersparte Eigenkosten vorgenommen wird. Das Gericht wendet den 10-prozentigen Abzug auf den Grundwert an und nicht auf die Nebenkosten. Ein Abzug auf Nebenkosten wie die Haftungsreduzierung, die Zustellung und Abholung oder den Zweitfahrer-Zuschlag wäre nicht nachvollziehbar.

Urteil zur Verjährungs-Frage

Im Rahmen der fortdauernden Auseinandersetzungen mit Haftpflichtversicherern, die erstattungsfähige Mietwagenkosten nicht zahlen wollen, kommt immer wieder mal das Thema Verjährung der Ursprungsforderung hoch.

(Das Thema ist zu unterscheiden von tatsächlich verjährten Schadenersatzansprüchen. Das kann es geben, wenn der Forderungsinhaber zu spät oder z.B. zunächst beim falschen Versicherer vorstellig wird.)

Hier geht es jedoch um die Behauptung des Versicherers, dass, weil der Anspruch des Vermieters gegen den Mieter auf Zahlung des Mietzinses verjährt sei, der Geschädigte als Mieter keinen Schaden (mehr) habe und es bestehe daher auch keine Schadenersatzforderung, die irgendwer gegen den Versicherer gelten machen könnte.

Das ist Unsinn, wie es nun auch wieder das AG Ratingen festgestellt hat. So zuvor auch andere Gerichte, abrufbar in der BAV-Urteilsdatenbank unter dem Stichwort "Verjährung".

Siehe auch eine Einführung zum Thema aus 2018: https://www.bav.de/vermietung-nach-unfall/allgemeines/2924-urteile-wegen-verjaehrung-der-ursprungsforderung.html

AG Ratingen 11 C 321/19 vom 20.05.2020 (eingesandt von Rechtsanwalt Momberger, Automeile in Düsseldorf)

"Der Anspruch ist im Übrigen auch durchsetzbar. Die Verjährung der Ansprüche der Klägerin gegen den Geschädigten aus dem Mietvertrag vom 29.02.2016 ist gemäß § 205 BGB gehemmt. Die Klägerin hat sich zur Sicherung ihres Mietzinsanspruches die Ansprüche des Geschädigten gegen die Beklagte sicherungshalber abtreten lassen. Es handelt sich bei der hier sicherungshalber erfolgten Abtretung um eine Leistung erfüllungshalber, das heißt, der Gläubiger - hier die Klägerin - erhält bei Weiterbestehen der bisherigen Forderung eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit. Die führt zu einer Stundung der ursprünglichen Forderung (vgl. AG Siegburg, Urteil vom 01.02.2019 128 C 181/18)."

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 27-20

Amtsgericht Cochem 21 C 142/19 vom 18.06.2020

1. Die Gesamtforderung aufgrund Mietwagenkosten nach einem Unfall liegt nicht - wie es die Beklagte allerdings behauptet - über den durchschnittlich anzunehmenden vergleichbaren Kosten für einen Ersatzwagen.
2. Die Schätzung der erforderlichen Kosten ist anhand der Schwacke-Liste vorzunehmen, dazu erfolgt ein Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Koblenz.
3. Die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste wird durch die Ergebnisse der DAT-Erhebung gestützt.
4. Ein pauschaler Verweis auf günstigere Alternativangebote auf die Existenz der Fraunhofer-Liste sind kein ausreichend konkreter Sachvortrag.
5. Für die Behauptung, dem Geschädigten wäre ein vergleichbarer Schadenersatz in der konkreten Situation günstiger ohne Weiteres zugänglich gewesen, trägt die Beklagte die Beweislast.
6. Den Geschädigten trifft vor Anmietung keine generelle Verpflichtung auf eine umfassende Marktanalyse oder Erkundigungspflicht nach anderen Angeboten.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Cochem verweist auf das OLG Koblenz und sortiert den von der Zedentin geforderten Schadenersatz unterhalb der Listenwerte von Schwacke ein. Die Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten wird daher mittels der Schwacke-Liste vorgenommen. Die Werte von Schwacke werden durch diejenigen aus dem DAT-Mietwagenspiegel gestützt.

Bedeutung für die Praxis: Bemerkenswert ist, dass das Gericht sich auch mit dem DAT-Mietwagenspiegel befasst hat. Die Klägerin konnte damit die Anwendbarkeit der Werte aus der Schwacke-Liste noch einmal untermauern. Testzugang: https://www.dat.de/mietwagenspiegel/ Des weiteren hat das Gericht den Versuch des Versicherers zurückgewiesen, allgemein zu behaupten, der Geschädigte hätte sich erkundigen müssen und nur weil er das unterlassen hat, habe er zu teuer angemietet.

Versicherungsbetrug Kraftfahrt-Haftpflicht: Zweifel an Darstellungen der Versicherer

Ein Kommentar.

Die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer und ihr Gesamtverband der Versicherungswirtschaft erwecken seit Jahren den Eindruck, dass 10 Prozent der Verkehrsunfälle fingiert seien. Das der HUK-Coburg nahestehende Goslar-Institut behauptet nun, dass gar jeder siebte Schaden ein Betrugsfall sei.

Meldung des Goslar-Institutes: https://www.goslar-institut.de/recherche-tipps/recht-versicherung/vorsicht-vor-kfz-versicherungsbetrug/

Zitat:

"Autobumser – diese volkstümliche Bezeichnung für eine spezielle Art von Versicherungsbetrügern hört sich geradezu freundlich an. Doch diese Gauner, die Autounfälle provozieren, um die Versicherung dafür zahlen zu lassen, richten bei den Versicherern Jahr für Jahr Schäden in Millionenhöhe an. (...) Jeder siebte Verkehrsunfall in Deutschland ist fingiert."

Beispiel einer diese These aufgreifenden Pressemeldung dazu: https://reifenpresse.de/2020/06/23/kfz-versicherer-jeder-siebte-verkehrsunfall-ist-fingiert/

Das Bild, dass ca. 15 % aller Unfälle fingiert seien, kann so nicht stehen bleiben. Es erscheint völlig unrealistisch und unglaubhaft.

Warum?

Bei den anzunehmenden mehr als 4 Millionen Haftpflichtschäden in der Kraftfahrtversicherung per anno wären somit Jahr für Jahr ca. 600.000 Unfälle betrügerisch. Der Schwerpunkt darunter müsste bei der fiktiven Abrechnung liegen, denn da lohnt sich das am meisten. Es entspricht in keiner Weise der Erfahrung der mit der Schadenregulierung vertrauten Berufsgruppen wie Sachverständige, Anwälte oder Fuhrparkbetreiber, die eine solch hohe Anzahl an Fällen bemerken müssten. Denn da käme dann ja der leistungsausschließende Hinweis auf den Betrug.

Nirgends ist bisher ersichtlich, auf welche Statistik und welche konkreten Fakten sich diese These der Versicherer stützt. Jedenfalls werden solche Quellen nicht benannt. Es ist daher die Frage zu stellen, welche Kriterien die Versicherer ansetzen, um einen Fall als betrügerisch herbeigeführt anzusehen. Genügt es, dass sie sich ohne jeden Nachweis betrogen fühlen?

Es ist zu vermuten, dass Versicherer nicht nur dann ihre Betrugsfall-Statistik füllen, wenn nachweislich ein Gericht festgestellt hat, dass jemand mit betrügerischer Absicht einen Unfall mit einem Unschuldigen provoziert hat. Ein erheblicher Teil der 600.000 Fälle dürfte auf Streitigkeiten um die Schadenhöhe beruhen. Und das ist völlig ungerechtfertigt. Denn die Versicherer sind es ja selbst, die zumeist einen solchen Streit durch Anspruchskürzungen vom Zaun brechen. Beispielhaft kann die Frage nach Vorschäden genannt werden. Da Versicherer über branchenweite Datenbanken zu Vorschäden verfügen, sind sie häufig über Schäden informiert, die bereits repariert wurden. Kann in solchen Fällen der Fahrzeughalter eine ordnungsgemäße Reparatur des Vorschadens jedoch nicht oder nicht mehr belegen, versäumt er, den Vorschaden anzugeben oder kennt er ihn als Gebrauchtfahrzeugkäufer gar nicht, zahlt der Versicherer nichts und wird den Fall wahrscheinlich - völlig aus der Luft gegriffen - als Betrugsversuch ansehen und archivieren. Bis vor kurzem urteilten sogar Oberlandesgerichte,  dass Versicherer dann nicht zahlen müssten, wenn der Anspruchsteller keine Belege für die ordnungsgemäße Reparatur vorgelegt hat. Diese Rechtsprechung ist inzwischen vom BGH deutlich eingebremst. Aber auch bis dahin waren das keine einen Betrug bestätigenden Urteile, sondern Urteile zur Vortrags- und Beweislast hinsichtlich des neuen Schadens.

Aus welchem Grund werden solche Parolen verbreitet?

Wir leben in Zeiten, in denen aufgrund der Struktur der medialen Verbreitung jeder alles behaupten kann. Versicherer sehen sich als Opfer bzw. Zahlmeister der Nation, und mit der Autobumser-Story können sie verschiedene umstrittene Maßnahmen rechtfertigen. So gibt es eine zentrale Datenbank HIS, in der Anfragen, Schadenmeldungen sowie aus Sicht von Versicherern bestehende Auffälligkeiten eingetragen werden, mit negativen Folgen für die Möglichkeiten von unbescholtenen Verbrauchern, Versicherungsverträge zu behalten oder bei anderen Gesellschaften abzuschließen.

Der andere Aspekt ist, dass Versicherer häufig wegen schlechter Zahlungsmoral und unberechtigten Kürzungen von Schadenansprüchen am Pranger stehen. Das Geschäftsmodell der Versicherer beruht auf Anspruchskürzungen und wird dadurch lukrativ. Die DNA des Haftpflichtversicherers ist eben eine tief verwurzelte Kürzungs- und Verweigerungskultur. Zigtausendfach werden sie jedes Jahr von Gerichten zu Nachzahlungen verurteilt, die jedoch nur erhält, wer hartnäckig und teils auf eigenes Kostenrisiko vor Gericht geht. Da kommt es sehr gelegen, wenn man den Ball an diejenigen zurückspielen kann, die Ansprüche anmelden und sie allgemein als "in einem hohen Prozentsatz als Betrüger" agierend darstellen kann. Denn das berechtigt Versicherer vermeintlich zu Verzögerungen, Hinhaltetaktiken und Kürzungen von eigentlich berechtigten Ansprüchen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 25-20

Amtsgericht Düsseldorf 42 C 293/19 vom 26.05.2020   

1. Die Schätzung der Höhe erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt auf Basis des Mittelwertes der Listen von Schwacke und Fraunhofer.
2. Für die Bestimmung der Mietdauer ist jeweils der Tag der Anmietung und der Tag der Rückgabe zu berücksichtigen.
3. Beklagtenseits vorgelegte Internetangebote sind kein hinreichend konkreter Sachvortrag gegen die Anwendung des Mittelwertes.
4. Auf den Grundpreis laut Fracke ist ein 20%iger Aufschlag gerechtfertigt, da der Mietzins vom Vermieter vorfinanziert werden musste und der Mieter keine Sicherheiten leistete.
5. Ein Abzug wegen Eigenersparnis entfällt, da ein klassenkleineres Fahrzeug angemietet wurde.
6. Die Nebenkosten für eine Haftungsreduzierung mit einer niedrigen Selbstbeteiligung ist unabhängig von der Kasko des beschädigten Fahrzeuges erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Düsseldorf wendet zur Bestimmung erstattungsfähiger Mietwagenkosten nach einem Unfall mit Blick auf das OLG den Mittelwert an. Auf diesen Betrag ist ein unfallbedingter Aufschlag gerechtfertigt, wenn der Vermieter den Preis vorfinanziert und stundet und keine Kaution zur Sicherung seiner Forderungen und Risiken nimmt. Nebenkosten sind erstattungsfähig, soweit angefallen und erforderlich.

Bedeutung für die Praxis: Auch das AG Düsseldorf spricht - unabhängig von einer Eil- und Notsituation des Geschädigten - den unfallbedingten Aufschlag zu, sofern dieser in geeigneten Fällen plausibel vorgetragen wird. Im Übrigen dürfte die Mittelwert-Rechtsprechung inzwischen im OLG-Bezirk Düsseldorf als üblich gelten.

Zitiervorschlag "Unfallbedingter Aufschlag"

"Das Gericht hat vorliegend auch keine Bedenken gegen den von der Klägerin vorgenommenen Ansatz eines Schlages von 20 %. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Zedentin nicht, wie sonst üblich, die Mietwagenkosten vorab bezahlen und keine Sicherheitsleistung erbringen musste."
Amtsgericht Düsseldorf 42 C 293/19 vom 26.05.2020

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 24-20

Landgericht Koblenz 5 S 48/19 vom 07.05.2020
(Vorinstanz Amtsgericht Linz am Rhein 22 C 333/19 vom 05.09.2019)

1. Eine Pflicht zur kostengünstigeren Anmietung durch den Geschädigten trifft ihn nur, soweit ihm ein solches Angebot zugänglich ist.
2. Anschreiben der Beklagten haben ein konkretes annahmefähiges Angebot zu enthalten.
3, Eine alternative Fahrzeugliste mit KW-Zahlen ist kein konkretes Angebot, welches der Geschädigte auf seinen Ersatzanspruch hin mit einzuholenden bzw. bereits eingeholten Mietwagenangeboten vergleichen kann.
4. Auch ein telefonisches Angebot genügt nur den Anforderungen an ein hinreichend konkretes alternatives Mietwagenangebot, wenn Preis, Anbieter und konkrete Vertragskonditionen genannt werden.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung, in welcher der Auffassung der beklagten Haftpflichtversicherung zur Schadenminderungspflicht (§ 254 BGB) widersprochen wird. Dem Geschädigten offerierte Angebote entsprechen nicht den Anforderungen in Bezug auf Preisdarstellung, Vergleichbarkeit und Zugänglichkeit. Der Geschädigte hat daher das Recht, ein Ersatzfahrzeug zu normalen Marktpreisen anzumieten und die erforderlichen Kosten sind zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Die Berufungskammer des Landgericht Koblenz lehnt die Auffassung der Beklagten ab, einem Geschädigten sei bereits nach dem Zugang eines allgemeinen Informationsschreibens zu irgendwelchen angeblichen Mietwagenpreisen ein Vorwurf der Verletzung seiner Obliegenheit zur Minderung des Schadens zu machen, wenn er für einen darüberliegenden Preis ein Ersatzfahrzeug anmietet. Damit wird auf die Situation des Geschädigten nach einem Unfall Bezug genommen, der nicht einfach durch das Hinwerfen von unvollständigen Informationen in seinen Rechten beschnitten werden kann.

Zitiervorschlag "Anforderungen an Direktvermittlungsangebot"

"Die jeweils beigefügte Anlage „XXX“ enthält kein auf den jeweiligen Schadensfall bezogenes Mietwagenangebot in dem Sinne, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif konkret und ohne weiteres zugänglich gemacht worden wäre. Insbesondere wird kein Angebot für das tatsächlich im Einzelfall beschädigte Fahrzeug aufgezeigt.
Es wird lediglich Bezug genommen auf eine Tabelle, in welcher sich die Mietpreisbenennung an den KW-Zahlen der Fahrzeuge orientiert. Eine ggf. vorhandene gehobene Ausstattung oder ein besonderer Fahrzeugtyp, welche zu einem höheren Mietwagenpreis führen würden, werden dort ebenfalls nicht berücksichtigt. Für den Geschädigten ist bei dieser Darstellung nicht ersichtlich, welchen Ersatzanspruch er aus Sicht des Versicherers hätte, was ihm Anlass dafür geben könnte, einzuholende bzw. bereits eingeholte Mietwagenangebote daran zu messen. (XXX)
Auch das in dem Schadensfall Nr. 3 geführte Telefonat genügt den Anforderungen an ein hinreichend konkretes alternatives Mietwagenangebot nicht. Insoweit trägt die Beklagte zu dem Inhalt des Telefonates lediglich vor, dass ein Mietwagenfahrzeug zum Preis von brutto 67,00 € angeboten worden sei. Es werden weder konkrete Mietwagenanbieter noch die Vertragskonditionen im Einzelnen (wie z.B. Versicherung, Zustellung/Abholung, weitere Fahrer, vorschriftsmäßige Bereifung usw.) genannt." (Landgericht Koblenz 5 S 48/19 vom 07.05.2020; Fettdruck durch den Unterzeichner)


Liste aktueller Urteile 2020

Anbei finden Sie die Liste von Urteilen, die hier in 2020 eingegangen sind oder recherchiert wurden.

LG Trier

1 S 40/19

20.12.2019

S+ / F-

LG Wiesbaden

3 S 60/19

19.12.2019

Mittelwert

LG Essen

15 S 19/19

21.01.2020

Mittelwert

AG Köln

262 C 102/19

16.12.2019

S+ / F-

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Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 22-20

Landgericht Berlin 42 O 425/19 vom 22.04.2020

1. Die Höhe der abgerechneten und als Schadenersatzforderung geltend gemachten Mietwagenkosten ist nach Vergleich mit den Werten der Schwacke-Liste nicht zu beanstanden.
2. Die relevante Mietwagenklasse ergibt sich aus der konkreten Liste der Mietwagenklassen und nicht aus einer Abtretung.
3. Der Geschädigte hat ein Anrecht auf ein vergleichbares Fahrzeug, also aus derselben Mietwagenklasse.
4. Bereits die von der Klägerin aufgezeigten Internetangebote lassen die abgerechneten Kosten des Vermieters zweckmäßig erscheinen.
5. Der Eigenersparnisabzug in konkreter Form von Tagessätzen wurde von der Beklagten nicht bestritten und ist daher nicht zu beanstanden.

Zusammenfassung: Das Landgericht Berlin verurteilt die beklagte Haftpflichtversicherung zur Restzahlung in Höhe von ca. 7.000 Euro. Das Erstgericht wendet zur Schätzung erforderlicher Ersatzwagenkosten die Schwacke-Liste an. Nebenkosten für Haftungsreduzierung, Winterreifen und Zustellung werden als erstattungsfähig angesehen.

Bedeutung für die Praxis: Und schon wieder das LG Berlin..., nun die 42. Kammer, aber ganz anders als kürzlich die 45. (MRWaktuell KW 19). Der Kläger legte im Rechtsstreit selbst Beispiele alternativer Anbieter im Internet vor, die aufzeigen konnten, dass die Mietwagenabrechnung dem Üblichen entsprochen hatte. Die Internetangebote lagen gar weit über Schwacke. Die Beklagte zahlte außergerichtlich auf Fraunhofer-Niveau und gestand im Prozess einen Betrag zu, der dem Mittelwert der Listen nahekommt. Das Gericht wendet jedoch weiterhin die Schwacke-Liste an und verurteilte daher zur Restzahlung. Es ist anzunehmen, dass die Beklagte nicht in die nächste Instanz wollte.

Zitiervorschlag "Schätzung mittels Schwacke, Internet-Beispiele vom Kläger"

"Die Kammer schätzt die Mietwagenkosten nach § 287 ZPO auf der Grundlage des Schwacke Automietpreisspiegels. (...) Konkrete Tatsachen, die vorliegend Zweifel an der Geeignetheit des Schwacke Automietpreisspiegels begründen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt; die pauschalen Einwendungen (...) genügen dafür nicht (so auch Kammergericht ...). (...) Zudem hat die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum Internet-Angebote dreier Anbieter vorgelegt, deren Preise sämtlichst weit über den in Rechnung gestellten Kosten der Klägerin liegen. (...) Es besteht daher - unabhängig von der Schwacke-Liste - bereits aus diesem Grunde ein hinreichender tatsächlicher Anhalt dafür, dass die vereinbarte Miete den üblichen Marktpreisen im maßgeblichen Zeitpunkt entsprochen hat ... ."
Landgericht Berlin 42 O 425/19 vom 22.04.2020

Es ist nicht bekannt, ob das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 21-20

Landgericht Köln 11 S 52/19 vom 03.03.2020
(Vorinstanz: Amtsgericht Köln 269 C 153/18 vom 18.01.2019)

1. Der unsubstantiierte Einwand der Beklagten gegen die Eingruppierung des Mietwagens geht fehl.
2. Auf den Normaltarif nach Schwacke ist ein 20%iger Aufschlag wegen unfallbedingter Mehrleistungen angemessen.
3. Der unfallbedingte Aufschlag ist unabhängig von einer Eil- und Notsituation gerechtfertigt, insbesondere bei Vorfinanzierung des Mietzinses durch den Vermieter, bei Gewährung einer flexiblen Mietdauer usw.
4. Die frühzeitige Klärung der 100%igen Einstandspflicht der Beklagten ändert daran nichts.
5. Das pauschale Bestreiten der Tatsache von Zustellung und Abholung ist unergiebig.
6. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten auf den Grundwert des Normaltarifes ist vorzunehmen, wenn klassengleich angemietet wurde.

Zusammenfassung: Nach erstinstanzlicher Schätzung mit den Werten aus der Schwacke-Liste stand in der Berufung vor allem noch die Klärung des unfallbedingten Aufschlags an. Das Landgericht stellte klar, dass nach der BGH-Rechtsprechung nicht nur die Eil- und Notsituation, sondern auch viele anderes Gründe dazu führen, dass der Geschädigte unfallbedingte Mehrleistungen des Vermieter erhalten muss, um nach einem Unfall mobil zu bleiben. Zum Beispiel die Vorfinanzierung, Verzicht auf branchenübliche Sicherheiten und die flexible Mietdauer führen zu durchschnittlichen Mehrkosten, die der Versicherer in Form eines Aufschlages zu erstatten hat.

Bedeutung für die Praxis: Immer mehr Landgerichte erkennen die Erforderlichkeit des unfallbedingten Aufschlags auf den Grundpreis als eine vom Haftpflichtversicherer zu erstattende Schadenersatzposition an. Das erscheint auch nachvollziehbar, denn der Bundesgerichtshof hat eindeutig geurteilt, dass neben der Eilbedürftigkeit der Anmietung auch andere Faktoren eine unfallbedingte Mehrleistung des Autovermieters begründen können. Die Höhe des Aufschlages ist mit 20 Prozent weitgehend geklärt. Es obliegt nun den Vermietern, sich mit den Argumenten zu befassen und sie gegenüber dem Schädiger geltend zu machen. Verzichtet der Vermieter zum Beispiel auf eine Kaution, macht er vielen Geschädigten damit erst möglich, einen Ersatzwagen anzumieten. In der Folge steigt jedoch sein Risiko, bei einer kleinen Beschädigung des Fahrzeuges, die Kosten der Reparatur selbst zu tragen, wenn der Mieter dafür nicht aufkommen kann. Eine Position "Aufschlag" gehört dabei nicht direkt in eine Mietwagenabrechnung. Es funktioniert anders herum: Sofern die Forderung des Geschädigten (bzw. Vermieters aus abgetretenem Recht) oberhalb des Normaltarifes zum Beispiel von Schwacke liegt, ist eine Abweichung um 20 Prozent mit unfallbedingten Mehrleistungen begründbar, wenn diese aus Sicht des Geschädigten erforderlich gewesen sind (Grundlage § 249 BGB und nicht § 254).

Zitiervorschlag "Unfallbedingter Aufschlag nicht nur bei Eilbedürftigkeit"

"Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Erstattung des pauschalen Aufschlags für unfallspezifische Mehrleistungen in Höhe von 20 % (575,59 Euro = 20 % von 2.877,98 Euro) zu. Nach der Rechtsprechung der Kammer, die sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie des Oberlandesgerichts Köln anschließt, hängt die Erstattungsfähigkeit eines 20 %-igen Aufschlags für unfallbedingte Mehraufwendungen nicht allein vom Bestehen einer Eil- und Notsituation ab, sondern davon, ob die Mehrkosten auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst wurden und die infolgedessen nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich sind (...). Solche unfallbedingten  Mehrleistungen können unabhängig von einer Eil- und Notsituation bei der Anmeldung eines Ersatzfahrzeuges entstehen und insbesondere in der Vorfinanzierung des Mietpreises durch das Mietwagenunternehmen liegen, wenn der Geschädigte weder zum Einsatz einer Kreditkarte noch zu einer anderen Art der Vorleistung verpflichtet ist, oder in der flexiblen Laufzeit des Mietvertrages. wenn die genaue Reparaturdauer noch nicht bekannt ist (...)."
Landgericht Köln 11 S 52/19 vom 03.03.2020

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 20-20

Landgericht Oldenburg 13 S 39/20 vom 21.04.2020 (Beschluss nach § 522, abs. 2 ZPO)
(Vorinstanz: Amtsgericht Nordenham 3 C 217/19 vom 17.12.2019)

1. Die Berufung der Beklagten hat keine Erfolgsaussichten.
2. Die erstinstanzliche Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall mittels Schwacke-Liste Automietpreisspiegel ist nicht zu beanstanden.
3. Die Anwendbarkeit der Schätzgrundlage ist mit bloßem Verweis auf Fraunhofer nicht angreifbar.
4. Mit den vorgelegten einzelnen Internetangeboten hat die Beklagten auch einen Verstoß des Geschädigten gegen die Schadenminderungspflicht nicht beweisen können.
5. Die Beauftragung eines SV-Gutachtens wäre ein unerlaubter Ausforschungsbeweis.
6. Der Geschädigte hat einen Anspruch auf Kostenerstattung für eine Haftungsreduzierung auf null Euro.
7. Bei Ersatzanmietung binnen einer Woche nach Unfall erfolgt ein 20%iger Aufschlag auf den Normaltarif.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht bestätigt eine erstinstanzliche Entscheidung des AG Nordenham vollständig. Die Anwendung des Normaltarifs nach Schwacke ist nicht zu beanstanden. Der Beklagtenvortrag mittels Fraunhofer-Liste und Internetscreenshots veranlassen keine diesbezügliche Korrektur. Auf den Normaltarif sind 20 Prozent unfallbedingter Aufschlag zuzugeben und Nebenkosten sind erstattungsfähig.

Bedeutung für die Praxis: Das Landgericht Oldenburg winkt eine vorgerichtliche Schwacke-Entscheidung durch, da der Beklagtenvortrag nicht konkret aufzeigt, wie sich die behaupteten Mängel der Schwacke-Liste auf den konkreten Fall auswirken. Die Fraunhofer-Liste wird nicht bevorzugt. Bei Unfallgeschädigten kann nicht unterstellt werden, dass ihnen Internetangebote zugänglich sind. Die vorgelegten günstigeren Angebote sind u.a. dahingehend unkonkret, dass die Haftungsreduzierung auf null Euro, auf die der Geschädigte einen grundsätzlichen Anspruch hat, nicht enthalten sind. Der Anspruch auf den Haftungsausschluss (Null Euro SB) besteht unabhängig von einer Kasko des beschädigten Fahrzeuges und einer dortigen Selbstbeteiligung. Internetangebote mit Beispielfahrzeugen "so oder ähnlich" haben keinen Bezug zu den konkreten Fahrzeugen der Geschädigten und die darin ausgewiesenen Preise sind daher mit dem Schadenersatzanspruch nicht vergleichbar. Der Aufschlag auf den Normaltarif für unfallbedingte Mehrleistungen ist für Anmietungen bis eine Woche nach dem Unfall erstattbar. Im Ergebnis hat der Haftpflichtversicherer freiwillig weniger als die Hälfte der Summe ausbezahlt, auf die der Geschädigte einen Anspruch hat.

Zitiervorschlag "Keine Erschütterung bei unkonkretem Sachvortrag"

"Damit ist festzuhalten, dass die Schwacke-Liste grundsätzlich der Schadenschätzung nach § 287 ZPO zugrunde gelegt werden kann. Darüber hinaus dürften nach vorläufiger Würdigung auch im konkreten Fall Mängel der Schätzgrundlage nicht hinreichend vorgetragen oder anderweitig ersichtlich sein."
"Aus den von der Beklagten vorgelegten Angeboten der drei marktführenden Anbieter für Mietwagen ergeben sich keine gewichtigen Bedenken gegen die Eignung des Schwacke-Automietpreisspiegel als Schätzgrundlage. (...) Es genügt dabei regelmäßig nicht, lediglich "Screenshots" von Internetangeboten vorzulegen. (...) Aus diesen Angeboten lässt sich mangels konkreter Angaben zum Fahrzeugmodell kein Vergleich mit einer bestimmten Fahrzeuggruppe der Schwacke-Liste ziehen. (...) Die Kammer hat insofern Zweifel, ob es sich jeweils überhaupt um ein konkretes "Angebot" (...) oder nicht vielmehr um eine invitatio ad offerendum handelt."

Landgericht Oldenburg 13 S 39/20 vom 21.04.2020 (Beschluss)

Hinweis:
Über den Ausgang des Verfahrens ist nichts bekannt.

 

BAV-Abtretungsformular Version 04/20

BAV-Mitglieder können von nun an das auf die aktuelle Rechtsprechung hin überarbeitete Abtretungsformular für Mietwagenkosten (25er-Block ab 1,99 Euro brutto) bestellen. Detaillierte Informationen sind im internen Bereich der BAV-Internetseite abrufbar.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 19-20

Landgericht Berlin 45 S 97/18 vom 15.10.2019
(Vorinstanz: Amtsgericht Berlin-Mitte 123 C 3074/18 vom 26.09.2018)

1. Der erstattungsfähige Schadenersatzbetrag nach einer Ersatzmiete kann mit dem Mittelwert aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer geschätzt werden.
2. Es ist das Preisniveau am Ort der Anmietung maßgeblich.
3. Kosten von angefallenen und erforderlichen Nebenleistungen für erweiterte Haftungsreduzierung, Navigation, Winterreifen, Zustellung, Zusatzfahrer und Anhängerkupplung sind erstattungsfähig.
4. Ein Abzug für ersparte Eigenkosten in Höhe von 10% entfällt, sofern ein gruppenkleineres Fahrzeug angemietet wurde.
5. Die gewerbliche Anmietung bietet keinen Anlass für eine Abstufung der erstattungsfähigen Mietwagenklasse.

Zusammenfassung: Das Landgericht in Berlin wendet in der Berufung wie bereits häufiger die Mittelwertbildung aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer an. Die üblichen Nebenkosten sind hinzuzufügen und ein Eigenersparnisabzug wird bei klassenkleinerer Anmietung verneint. Bei der Schätzung der erforderlichen Kosten wird auf den Gesamtpreis abgestellt, sodass es praxisnah nicht zu einzelnen Kürzungen kommt, wenn eine Unterposition der Abrechnung niedriger als in der Liste vorgenommen wurde und umgekehrt.

Bedeutung für die Praxis: Die Berliner Mietwagen-Rechtsprechung wendet einerseits Schwacke und in einigen Kammern den Mittelwert Fracke an. Sehr verlässlich werden inzwischen auch die Listen-Nebenkosten zugesprochen, sofern diese angefallen sind. Bemerkenswert ist dabei, dass das Gericht erkannt hat, dass Abrechnungen der Vermieter nie auf den Punkt einen Mittelwert aus einer Liste treffen können und müssen. Einer solchen Auffassung des OLG Köln wird entgegengehalten, dass hierdurch keine Sonderabzüge gerechtfertigt werden können. Statt dessen ist die Summe aller Leistungen der Vermietung unter dem Strich zu sehen und erst dann mit dem Schätz-Betrag aus der Liste zu vergleichen, um den angemessenen Marktpreis für die erfolgte Ersatzanmietung zu finden. Würde man es anders machen, würde in einigen Positionen die Abrechnung mit dem Verweis auf den niedrigeren Listenwert gekürzt und in anderen Positionen der Listenwert beiseitegeschoben, weil der Abrechnungsbetrag darunter liegt. Das kann nicht im Sinne der Anwendung des § 287 ZPO sein. Nebenkosten für Einparkhilfen, Automatikgetriebe und Freisprechanlage sieht das Gericht nicht als erstattungsfähig an, da sie nicht in den Listen ausgewiesen sind.

Zitiervorschlag "Schätzung lediglich auf der Ebene Gesamtkosten"

"Keiner Prüfung bedarf es, ob die in der Nebenkostentabelle ausgewiesenen Werte der Zusatzleistungen höher sind als die dafür tatsächlich in den jeweiligen Fällen vereinbarten Bruttopreise. Auch bei Überschreitung der vereinbarten Preise wäre entgegen der Auffassung des OLG Köln (...) ein Abzug von den in der Nebenkostentabelle ausgewiesen Werten nicht gerechtfertigt. Der für die Erstattung maßgebliche Normalpreis muss einheitlich nach den zur Schätzung herangezogenen Tabellwerken bemessen werden, wobei es für die Frage einer Überschreitung des Marktpreises oder eines vereinbarten Preises lediglich auf den Endpreis ankommen kann und zur Vermeidung zufälliger Ergebnisse nicht auf dessen Aufgliederung in verschiedene Rechnungspositionen wie Grundpreis und Zusatzleistungen (OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, 14 U 49/11 ...)"
Landgericht Berlin 45 S 97/18 vom 15.10.2019
(Fettdruck durch den Unterzeichner)

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 17-20

Amtsgericht Stralsund 16 C 1027/13 vom 02.04.2020

1. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten erfolgt anhand des Mittelwertes der Listen von Schwacke und Fraunhofer.
2. Die Ergebnisse des Gerichtsgutachtens werden zur Schätzung des Normaltarifes nicht verwendet.
3. Die klägerische Reduzierung um 5 Prozentpunkte wegen ersparter Eigenkosten ist nicht zu beanstanden.
4. Die geltend gemachten Kosten einer Haftungsreduzierung für eventuelle Beschädigungen am Mietfahrzeug sind in allen Fällen vollständig erstattungsfähig.
5. Weitere Kosten für Fahrzeugverbringung sind ebenso von der Beklagten zu zahlen.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Stralsund entscheidet nach 9 Jahren eine Mietwagensache mit vier Fällen zugunsten des Klägers. Die Ergebnisse eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen spielen wegen dessen Befangenheit keine Rolle mehr. Statt dessen wird mit dem Mittelwert aus den Listen geschätzt. Die Nebenkosten werden hinzugerechnet.

Bedeutung für die Praxis: Im Laufe der Jahre seit Anhängigkeit der Klage wurden Gerichte, Parteien und Anwälte vielfältig beschäftigt. Unter anderem wurden vor einem Richterwechsel  alle Geschädigten gehört und dezidiert dazu befragt, warum sie denn überhaupt einen Ersatzwagen benötigten. Dabei sind sie im Augenblick des unverschuldeten Unfalles individuell mit ihrem eigenen Fahrzeug unterwegs gewesen und der Unfall hat ihre Fahrt jäh beendet. Dann gehört ein Ersatzfahrzeug zu den grundsätzlich erforderlichen Kosten der Wiederherstellung.
Ein von der Beklagten vorgeschlagener Sachverständiger (Consulimus AG, Herr Abbing) wurde vom Gericht beauftragt, das Gutachten vom Berufungsgericht nach der klägerischen Beschwerde wegen Befangenheit des Gutachters jedoch verworfen. Das Verfahren kann als Beispiel gesehen werden, wie Kläger die Ergebnisse von Gutachtern angreifen können, die auf geschicktes Betreiben der Versicherer von Gerichten beauftragt werden und am Gerichtsbeschluss vorbei begutachten. Die Beklagte trägt die Kosten der Ersatzanmietung, der Rechtsanwälte, des Gerichts und des nicht ganz billigen Sachverständigen, den sie selbst vorgeschlagen hatte.

Hinweis: Über die Frage, ob das Urteil des Amtsgerichtes rechtskräftig ist, ist derzeit nichts bekannt.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 16-20

Amtsgericht Düsseldorf 24 C 324/19 vom 01.04.2020

1. Die Abtretung erfüllungshalber führt zur Aktivlegitimation des Klägers, weil aufgrund der nicht zu beanstandenden Formulierungen weder ein Verstoß gegen § 307 BGB (Transparenz), noch gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz feststellbar ist.
2. Die erforderlichen Kosten der Ersatzanmietung werden anhand der Fracke-Liste geschätzt.
3. Von der Beklagten vorgelegte Internetbeispiele sind kein konkreter Sachvortrag, der die Anwendbarkeit Schätzgrundlage in Zweifel ziehen könnte.
4. Ein Abzug von 5 %  für ersparte Eigenkosten entfällt bei klassenkleinerer Anmietung.
5. Kosten der Nebenleistungen einer niedrigen Selbstbeteiligung im Schadenfall, Zustellung, Zusatzfahrer und Navigationsgerät sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Entgegen der Auffassung der beklagten Haftpflichtversicherung verstößt die Verwendung des hier angewandten Abtretungsformulars nicht gegen das Transparenzgebot und auch nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Das Gericht orientiert sich an der geänderten Rechtsprechung zur Schätzgrundlage im Gerichtsbezirk und wendet die Fracke-Methode an. Auch die Kosten vereinbarter erforderlicher Nebenleistungen sind vom Schädiger zu ersetzen.

Bedeutung für die Praxis: Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Mittelwert-Rechtsprechung auch an denjenigen Amtsgerichten immer weiter durchsetzt, die zum Gebiet des OLG Düsseldorf gehören. Die jahrelange Fraunhofer-Rechtsprechung scheint damit weitestgehend der Vergangenheit anzuhören. In überraschender Weise lassen auch die von der Beklagten eingereichten Internetscreenshots Zweifel an der Fraunhoferliste zu. Denn die darin aufgezeigten Internet-Preise zweier Anbieter liegen fast drei Mal so hoch wie entsprechende Fraunhofer-Internetwerte. Das Gericht hat das aber übergangen und die Internet-Beispiele bereits deshalb als irriges Argument zurückgewiesen, weil diese aus nicht fallrelevanten Zeiträumen stammen.
Der Kläger hatte sich vom Geschädigten eine neue Abtretung unterzeichnen lassen, um dem Risiko eines Verstoßes gegen Transparenzanforderungen aus dem Weg zu gehen, mit Erfolg. Dabei ist die aktuelle Abtretungsempfehlung des BAV verwendet worden.

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 15-20

Landgericht Rostock 1 S 30/18 vom 05.04.2019
(Vorinstanz: Amtsgericht Güstrow 60 C 796/17 vom 09.02.2018)

1. Der Geschädigte kann den Mietwagenanbieter grundsätzlich frei wählen.
2. Von mehreren inhaltsgleichen Angeboten hat er das günstigere Ersatzfahrzeug anzumieten.
3. Zur Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten wird der Normaltarif-Grundbetrag durch Berechnung des Mittelwertes aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer gebildet.
4. Der Geschädigte hat sich vor der Anmietung im ländlichen Raum nach günstigen Angeboten im Umkreis von 30 Kilometern zu erkundigen.
5. Ein Abzug wegen ersparter Eigenkosten in Höhe von 5 Prozent auf den Grundbetrag ist angemessen.
6. Kosten der Nebenleistung Zustellen/Abholen sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht hebt ein Fraunhofer-Urteil des Amtsgerichtes auf und schätzt die zu erstattenden Mietwagenkosten auch weiterhin anhand des Mittelwertes Fracke, abzüglich 5 % Eigenersparnis.

Bedeutung für die Praxis: Das Berufungsgericht hebt ein schwer nachzuvollziehendes Urteil des Erstgerichtes auf, in dem vom Unfallersatztarif ebenso die Rede ist, wie vom nicht reinen Vermietungsgeschäft. Die Mittelwert-Linie der Rostocker Berufungskammer wird beibehalten und im Gerichtsbezirk durchgesetzt. Doch die Berufungsinstanz überzieht den Geschädigten mit der Forderung, er müsse sich nach günstigeren Preisen außerhalb des regionalen Marktes erkundigen, ohne dass es sich hier um einen Fall mehrfach überhöhter Tarife handelt. Die Leitlinie des BGH besagt lediglich, dass der Geschädigte nachfragen bzw. sich anderswo nach günstigeren Angeboten erkundigen muss, wenn ihm eine erhebliche Preisüberhöhung auffallen muss. Das Landgericht Rostock generalisiert hingegen diese Forderung bereits bei einer längeren Mietdauer und auf Anbieter außerhalb des regionalen ländlichen Raumes. Das dürfte die Anforderungen an einen Geschädigten weit überspannen.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 14-20

Amtsgericht Gummersbach 11 C 166/19 vom 02.01.2020

1. Der erstattungsfähige Betrag für Mietwagenkosten nach einem Unfall kann anhand der Schwacke-Liste Automietpreisspiegel geschätzt werden.
2. Ein Vorteil von Schwacke ist der bewusste Verzicht auf unzuverlässige und nicht reproduzierbare telefonische Erhebungen und Internetrecherchen.
3. Schwacke setzt auf tatsächliche Preislisten, die jedem frei zugänglich sind.
4. Die Beklagte hat gegen die Verwendbarkeit der Schwacke-Liste keinen konkreten Sachvortrag vorgebracht.
5. Im konkreten Fall der Beschädigung eines gewerblich genutzten Fahrzeuges ist ein Abzug für ersparte Eigenkosten von 10 Prozent gerechtfertigt.
6. Kosten von Nebenleistungen für drei Zusatzfahrer, Zustellen,, Winterreifen und Reduzierung der Haftung sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Amtsgericht Gummersbach sieht die Schwacke-Liste aufgrund der ausführlich dargestellten, nachvollziehbaren und für korrekt angesehenen Datenerhebung als geeignete Schätzgrundlage an. Die Beklagte sah das anders, hatte aber keinen konkreten Sachvortrag dazu gehalten, wie sich angebliche Mängel auf den Fall auswirken würden. Auch die Nebenkosten für Zusatzleistungen sind wenn angefallen zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Das Gericht in Gummersbach sieht die Methode der Datenerhebung bei Schwacke als vorteilhaft an. Hervorzuheben ist, dass Schwacke keine Daten erhebt, die nicht später nachvollziehbar belegt werden könnten. Physische Preislisten und statische Preisangaben auf Internetseiten z.B. als PDF-File sind die Basis der veröffentlichten Werte. Das leuchtet dem Gericht ein. In Bezug auf die Eigenersparnis wird auf die gewerbliche Nutzung des beschädigten Fahrzeuges hingewiesen. Gemeint ist, dass das Fahrzeug viel und intensiv genutzt ist und durch mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens. Daher setzt das Gericht eine recht hohe Eigenersparnis von 10 Prozent an.

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 13-20

Landgericht Wiesbaden 8 S 20/19 vom 11.03.2020
(Vorinstanz: Amtsgericht Wiesbaden 91 C 3947/18 (15) vom 02.07.2019)

1. Die erstattungsfähigen Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall werden mittels der Mittelwert-Methode aus den Listen von Schwacke und Fraunhofer bestimmt.
2. Die Argumentation der Beklagten gegen diese so genannte Fracke-Methode wird als unsubstantiiert zurückgewiesen.
3. Die Beklagte blieb auch den Nachweis schuldig, dass die vier Geschädigten zum konkreten Zeitpunkt am Anmietort ein Ersatzfahrzeug mit einer vergleichbaren Leistung zu wesentlich günstigeren Konditionen hätten anmieten können.
4. Die Einholung eines vergangenheitsbezogenen Sachverständigengutachtens zum Beweis niedrigerer durchschnittlicher Marktpreise wird als nicht sachdienlich, weil schlicht nicht möglich abgelehnt.
5. Angefallene Kosten für Nebenleistungen aufgrund von Haftungsreduzierung, Winterreifen und Zustellung / Abholung sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Die Berufungskammer des Landgerichts Wiesbaden weist die Berufung der Beklagten gegen die Anwendung der Mittelwertbildung aus Schwacke und Fraunhofer zurück. Auch die Nebenkosten sind vom Haftpflichtversicherer zu erstatten.

Bedeutung für die Praxis: Das Urteil ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil am Gerichtsstandort einer der regulierungs-unwilligsten Haftpflichtversicherer sitzt, der immer wieder durchsetzen will, dass allein die Fraunhofer-Liste als Schätzgrundlage angewendet werden kann. Das Landgericht sieht die Mittelwertmethode klar als den richtigen Weg. Dazu braucht das Gerciht kein Sachverständigengutachten, da eine Markterhebung zu Preisen weit in der Vergangenheit als nicht möglich anzusehen ist.

 

 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 12-20

Landgericht Stade 5 S 28/19 vom 04.03.2020
(Vorinstanz: Amtsgericht Tostedt 3 C 45/18 vom 20.08.2019)

1. Die verwendete Abtretungsklausel entspricht der vom BGH in 2012 auf Verstöße gegen § 1,2,3 und 5 RDG und §§ 307 ff. BGB hin geprüften und wurde vom BGH nicht beanstandet.
2. Die Aktivlegitimation des Klägers ist zu bestätigen.
3. Der erforderliche Normalbetraf wird anhand des Mittelwertes der Liste von Schwacke und Fraunhofer geschätzt.
4. Dagegen vorgebrachte Einwendungen der Beklagten sind unkonkret und ihnen ist daher nicht nachzugehen.
5. Ohne konkreten Vortrag der Beklagten zu ersparten Eigenaufwendungen des Geschädigten bei klassengleicher Vermietung ist kein Abzug vorzunehmen.
6. Die Kosten erforderlicher Nebenleistungen für einen Zusatzfahrer sind erstattungsfähig.

Zusammenfassung: Das Berufungsgericht in Stade sieht die Aktivlegitimation der Klägerin als gegeben an und schätzt den Mietwagenkosten-Normaltarof mit der Mittelwert-Methode. Nebenkosten werden zugesprochen.

Bedeutung für die Praxis: Seit langem argumentieren Versicherer in Bezug auf übliche Abtretungsformulare, dass deren Formulierungen intransparent sind und daher den Geschädigten unangemessen benachteiligen, mit der angestrebten Folge der mangelnden Aktivlegitimation des Klägers und einer Klageabweisung. So soll der Geschädigte zum Beispiel nicht verstehen können, welche Folgen eine Minimalzahlung des Unfallgegners auf seinen konkreten Schadenersatzanspruch hat. Das Landgericht Stade hat das nun mit dem Blick auf ein älteres BGH-Urteil zurückgewiesen. Beim BGH verhandelt wurde das BAV-Abtretungsformular in der Version von 2008. Der BGH hatte die konkreten Formulierungen geprüft und auch im BGH-Urteil abgedruckt und auch in Bezug auf §§ 307 ff. BGB festgestellt, dass das Formular nicht zu beanstanden ist.

Zitiervorschlag "Aktivlegitimation aufgrund Abtretung von 2008"
Die verwendete Abtretungsklausel stimmt wörtlich mit der Klausel überein, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 31.01.2012, Az. VI ZR 143/11, für zulässig befunden hat. Zwar hat er sich in der zitierten Entscheidung in erster Linie zu einer möglichen Nichtigkeit der Klausel gemäß § 134 BGB i.V.m. §§ 1, 2 3 und 5 RDG geäußert. Aus Ziffer 2. der Gründe (Rn. 18) geht jedoch hervor, dass der Bundesgerichtshof die Klausel auch anhand der §§ 307 ff. BGB überprüft hat – was i.Ü. auch ohne entsprechenden Parteivortrag erforderlich war, weil es sich um zwingende Rechtsanwendung handelt (vgl. Staudinger/Wendland (2019), Vorbemerkung zu § 307 BGB, Rn. 25).
Die weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, die das Amtsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen hat, ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Die dort geprüfte Abtretungsklausel war unklar und unwirksam, weil die Abtretung zugleich „zur Sicherheit“ und „erfüllungshalber“ erfolgen sollte und nicht klar erkennbar war, welche rechtlichen Folgen eintreten würden, wenn der Zessionar seine Forderung doch gegenüber dem Geschädigten geltend machte.
(Landgericht Stade 5 S 28/19 vom 04.03.2020)

Unfallersatzvermietung in Zeiten von Corona

Kfz-Versicherer dürften in Bezug auf Corona (wirtschaftlich gedacht) frohlocken. Jeder zahlt seine Versicherungsprämien weiter und auf den Straßen ist nichts los, also auch weniger Unfälle und weniger Ersatzwagen.

Doch wie sieht das im Detail aus?

Der Schlüssel für die Fragen der Autovermieter liegt in der Mietdauer, die abhängig ist davon, was in den Werkstätten in Bezug auf die Unfallreparatur passiert und was im Handel zur Frage der Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen möglich oder nicht mehr möglich ist.

Reparaturen

Werkstätten sind weiter geöffnet (Stand KW 12). Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Arbeitsfähigkeit der Betriebe in Bezug auf Fahrzeugreparaturen eingeschränkt ist. Mitarbeiter dürften häufig fehlen, weil sie krank sind, in Quarantäne oder ihre Kinder nicht zur Schule gehen usw. Alle tun so, als wäre Homeoffice ein Allheimmittel, für einen Mechatroniker oder Lackierer fällt das wohl aus. Benötigte Teile oder sonstige Materialien der Reparatur des Unfallfahrzeuges dürften derzeit längere Lieferzeiten haben oder gar nicht kommen.

Wird ein Gutachten erstellt, dürfte das ggf. auch länger dauern.

Das bedeutet, dass der Geschädigte einen Anspruch auf einen Ersatzwagen hat und behält bis zum Ende der Reparatur. Das betrifft Unfälle von vor der Corona-Krise wie Unfälle, die jetzt erst auftreten.

Versicherer werden einwenden, dass die Geschädigten hätten mit Ausgangssperren rechnen müssen oder das tatsächlich solche vorgelegen haben (je nach weiterer Entwicklung in den kommenden Tagen). Hier ist konkret zu argumentieren, ob der Geschädigte auch bei Ausgangssperren auf ein Fahrzeug angewiesen war.

Wiederbeschaffungsdauer

Bereits jetzt ist es dem Kfz-Handel verboten (Stand 20.03.), Fahrzeuge zu verkaufen. Die Konsequenz daraus ist, dass ein Geschädigte im Handel keinen Ersatz für sein Unfallfahrzeug bekommt und er damit so lange mit einem Mietwagen fahren kann (bzw. Nutzungsausfall beanspruchen kann), bis er sein "neues" gebrauchtes Fahrzeug erhalten kann. Laut BGH-Rechtsprechung hat er Anspruch auf ein vergleichbares Ersatzfahrzeug aus dem gewerblichen Autohandel. Jedenfalls für die Fahrzeuge, die nach Alter und Laufleistung typischerweise noch im gewerblichen Fahrzeughandel angeboten werden, hat der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH auch Anspruch auf den Kauf im gewerblichen Autohandel (BGH-Urteil vom 25.06.2019, Az. VI ZR 358/18).

Zitat:

„Das für den Kauf eines Ersatzfahrzeugs unter Inzahlunggabe des Unfallwagens notwendige persönliche Vertrauen wird der Geschädigte ohne Nachforschungen, zu denen er nicht verpflichtet ist, aber typischerweise nur ortsansässigen Vertragswerkstätten und Gebrauchtwagenhändlern, die er kennt oder über die er gegebenenfalls unschwer Erkundigungen einholen kann, entgegenbringen, nicht aber erst über das Internet gefundenen, jedenfalls ohne weitere Nachforschungen häufig nicht ausschließbar unseriösen Händlern und Aufkäufern.“

Sofern Versicherer zur Vermeidung hoher Mietwagenkosten sodann einwenden werden, der Geschädigte hätte im Privatmarkt kaufen müssen, ist das eindeutig zurückzuweisen.

Ganz grundsätzlich ist die Frage, ob Ersatzfahrzeuge noch zugelassen werden können, denn auch die Zulassungsstellen haben derzeit bereits geschlossen. Auch aus diesem Grund kann der Einwand des Versicherers nicht gelten, der Geschädigte habe eine zu lange Mietdauer verursacht und gegen seine Schadenminderungspflicht verstoßen.

"Corona-Aufschlag" bei der Ausfalldauer

Daraus ergibt sich, dass bereits die Schadengutachter berücksichtigen sollten, die Möglichkeit einer Corona-bedingten längeren Reparaturdauer und längeren Ersatzbeschaffung im Gutachten festzuhalten.

Geringer Fahrbedarf

Auch bei einem geringen Fahrbedarf, dürfte es unzumutbar sein, mit anderen in öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, wenn man das selbst nicht möchte, um sich nicht anzustecken. Zudem kann es sein, dass ein geringer Fahrbedarf ex ante nicht vorhersehbar gewesen ist.

Mietwagenpreise

Die aktuellen Mietwagenpreise liegen aufgrund der grundsätzlichen Schwierigkeiten der Branche höher als üblich. Insoweit dürften Versuche der Haftpflichtversicherer, einen Corona-bedingten niedrigeren Marktpreis zu behaupten in Leere gehen, weil sie den nicht belegen können. Vermieter können aber selbst aktiv werden und sich einen Marktüberblick verschaffen und für kommende rechtliche Auseinandersetzungen weglegen.

Beispiel-Internet-Preis bei einem der beiden größten Anbieter (mit Vorfinanzierung, Kaution, Internetbuchung, nach Verfügbarkeit, unklar welches Fahrzeug konkret,..):
6 Tage Gruppe 01 am 12.03.20 in Berlin, ohne Nebenkosten, nur 750 Euro SB = 427,26 Euro (zum Vergleich: Fraunhofer-Wochenpreis 2019 Gruppe 02 = 149,81 Euro)



 

Mietwagenrecht§wi§§en MRW aktuell 11-20

Landgericht Bonn 1 O 297/19 vom 06.03.2020

1. Die Schätzung erforderlicher Mietwagenkosten nach Unfall erfolgt bezüglich Grundpreis anhand des Mittelwertes der Listen von Schwacke und Fraunhofer .
2. Sofern die Mietwagenklasse 1 in der Fraunhofer nicht ausgewiesen ist, ist mit Schwacke zu schätzen.
3. Der Ansatz eines unfallbedingten Aufschlages wegen erforderlicher besonderer Leistungen des Vermieter ist in Höhe von 20 Prozent gerechtfertigt.
4. Kosten erforderlicher und erbrachter Nebenleistungen sind erstattungsfähig. 
5. Zur Direktvermittlung mit den Geschädigten geführte Telefonate und Schreiben der Beklagten zu KW-Gruppen der Fahrzeuge und ohne konkrete Angebote binden den Geschädigten nicht.

Zusammenfassung: Das Gericht wendet - wenn möglich - den Mittelwert der Listen an. Ausnahmen bestehen, wenn eine Liste keinen Wert enthält, wie die Fraunhofer-Liste u.a. keine Werte der Gruppe 01 in den Ausgaben 2018 und 2019. Der unfallbedingte Aufschlag wird zugesprochen, ebenso Nebenkosten. Der Versuch des Versicherers, die Geschädigten telefonisch über Angebote kooperierender Vermieter zu informieren, löst keinen Verstoß des Geschädigten gegen seine Schadenminderungsobliegenheiten aus. 

Bedeutung für die Praxis: Auch wenn das Gericht für den Grundwert des Normaltarifes eigentlich den Mittelwert der Listen bildet, wird hier auch der Schwacke-Wert angewendet. Das geschient dann, wenn Fraunhofer keinen Wert liefert. Und das ist seit 2018 in mehr als 10 Prozent der Fälle so, darunter in allen PLZ-Gebieten bzgl. der Mietwagengruppe 01. Diese gibt es angeblich nicht. Dann nimmt das LG Bonn den Schwacke-Wert als einzige vorhandene Alternative her.
Der Versuch des Versicherers, den Schadenersatz mit der Begründung zu minimieren, die Geschädigten hätten seine "Angebote" annehmen müssen, ist gescheitert. Das Gericht sieht eine Verpflichtung zur Annahme von Direktvermittlungsangeboten nur dann, wenn dem Geschädigten ein konkretes und vergleichbares Angebot unterbreitet wurde. Das ist schon dann nicht gegeben, wenn der Geschädigte das Angebot zum Beispiel wegen zu allgemeiner Angaben lediglich zur Motorleistung in KW nicht mit seinem Fahrzeug und dem letztlich in Anspruch genommenen Mietwagen vergleichen kann. Angaben zur Ausstattung fehlen.
Die Praxis des Gerichtes, den Grundwert des Schadenersatzanspruches aus der längsten enthaltenen Pauschale der Mietwagenabrechnung auf die Mietdauer hochzurechnen, begegnet Kritik. Das Gericht sieht keinen Mehraufwand bei der Notwendigkeit für einen Geschädigten, eine Fahrzeugmiete unerwartet früh zu beenden oder zu verlängern. Beides kommt aber häufig vor und kostet den Mieter durchaus Aufwand und Geld. Insofern irrt das Gericht hier.

Zitiervorschlag "Direktvermittlung"

"Dass den Geschädigten in den streitgegenständlichen Schadensfällen XXX indes von diesem ortsüblichen Normaltarif abweichende günstigere Tarife in der konkreten Unfallsituation zugänglich gewesen sind, diese mithin bei der Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflichten verstoßen haben könnten XXX, hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan.

Die Beklagte hat hier lediglich als Anlage XXX zum Fall 2 ein Schreiben vorgelegt und ansonsten auf Telefonate mit den Geschädigten verwiesen. Bei diesem Schreiben handelt es sich jedoch nicht um ein konkretes Angebot, sondern um ein Formschreiben sowie eine Preisauflistung für verschiedene Klassen. Der Kunde erhält somit nicht ein auf ihn zugeschnittenes Angebot, sondern nur eine Information zu anderen Angeboten, ohne dass er diese direkt vergleichen kann. Hinzu kommt, dass eine Vergleichbarkeit auch aufgrund der unterschiedlichen angegebenen Fahrzeugklassen dem Verbraucher nicht möglich ist. Die Beklagte orientiert sich insoweit nicht an den auch in den Übersichtswerken genutzten Fahrzeugklassen, sondern bildet Klassen nach kw-Werten, ohne andere Faktoren wie Preis, Ausstattung etc. zu berücksichtigen. Dadurch ist eine Vergleichbarkeit für den Verbraucher, der den Preis einer Ersatzanmietung ermitteln will, nicht ohne Schwierigkeiten und detaillierte Kenntnis der genannten Automodelle möglich."
(Landgericht Bonn 1 O 297/19 vom 06.03.2020)

Zitiervorschlag "Schwacke statt Fracke, wenn kein Fraunhofer"

Die Fälle XXX sind ebenfalls von der Klägerin korrekt abgerechnet worden. Diese betreffen Mietwagen der Klasse 1, die in der Fraunhofer-Liste für das PLZ-Gebiet 53 nicht berücksichtigt sind, sondern nur in der Schwacke-Liste. Da dem Gericht als Schätzgrundlage daher nur die Daten dieser Liste vorliegen, kann auch nur diese als Schätzgrundlage herangezogen werden.
(Landgericht Bonn 1 O 297/19 vom 06.03.2020)

Zur Frage, ob das Urteil bereits rechtskräftig geworden ist, ist nichts bekannt.

Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V.

Wir stellen uns vor.

Der Bundesverband der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV) wurde am 05. April 1954 gegründet. Er ist eine Interessenvertretung von Unternehmen, die Pkw, Anhänger, Transporter und Lkw vermieten. Der BAV repräsentiert ca. zwei Drittel des Gesamtmarktes der Autovermietung. Er steht den Mitgliedern für alle branchenrelevanten Aufgaben zur Verfügung.

Alles Wissenswerte haben wir für Sie in einer Verbandsbroschüre aufbereitet. Bitte schauen Sie hinein. Sie erfahren wer wir sind und welche Aufgaben der BAV für die Branche der Autovermietung übernommen hat. Sie sehen, wie erfolgreich wir dabei bisher gewesen sind und warum es sich lohnt, unserer Interessengemeinschaft beizutreten und in Zukunft mit uns zusammenzuarbeiten.

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Urteilsdatenbank des BAV

Der BAV bietet den Zugriff auf eine Datenbank für Gerichtsurteile und Fachartikel bzgl. Mietwagen an.

Meinung der Nutzer (10.08.2022):
„Die Datenbank des BAV ist für die Mitglieder von großem Nutzen. Hier kann sich der Autovermieter oder sein Anwalt jederzeit über den aktuellen Stand der lokalen Rechtsprechung informieren. Von unschätzbarem Wert ist die Datenbank für die überregionale bundesweite Rechtsprechung. Wenn ein Autovermieter nicht lokal Klagen kann, sondern am entfernten Unfallort oder am Sitz der Versicherung klagen muss, bietet die Datenbank wichtige Informationen über die dortige Rechtsprechung und insbesondere die möglichen Erfolgsaussichten einer Klage fern der Heimat.“

In der Datenbank sind - zumeist im Format PDF - enthalten:
- alle wichtigen BGH-Urteile der letzten Jahre
- alle wichtigen und uns bekannten Urteile der Oberlandesgerichte und der Landgerichte seit 2008
- jeweils mindestens ein Urteil einer Abteilung eines Amtsgerichtes seit 2008, soweit bekannt und von Bedeutung
- alle aktuellen uns bekannten Urteile seit Mitte 2010

Mitte 2022 befinden sich ca. 6.600 Dokumente in der Datenbank. Für ...

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